Hilsbach – ehemaliges Amtsstädtchen im Herzen des Kraichgaus – Martin Luther.
In einer Zeit, als sich die Welt in Europa neu zu ordnen versuchte, die römisch katholische Kirche die Politik bestimmte, das Volk schuftete, den Königen der Ländereien untertänig war und der Ablasshandel der Kirche das Volk zusätzlich ausbeutete und bluten ließ, war einer auf der Suche nach einem gnädigen Gott. Er wollte ihn finden, den Gott der Gerechtigkeit, der seine Gnade jedem gläubigen Christen ohne Kirche und Papst zusagt. (Allein durch seine Gnade!)
Den Gott, der von den Menschen geliebt werden will und den die Menschen lieben können.
Martin Luther fand ihn in seinen Fragen, in der Auseinandersetzung mit Gott, seinen Mitmenschen und mit den Herrschenden in Politik und Kirche.
Am 31.Oktober 1517 veröffentlichte er zu Wittenberg seine 95 Thesen. Das brachte ihm sehr viel Ärger ein. Mit diesen Thesen begann ein langer Entwicklungsprozess für die Politik und die Kirche in Europa.
Im April 1521 versammelten sich die Mächtigen auf deutschem Boden. Der Kaiser erließ ein Edikt und erklärte Martin Luther im Reichstag zu Worm für vogelfrei. Es bestand keine politische Einheit mehr.
Am Ostersonntag1525 kam es in Weinsberg bei Heilbronn zu einem Bauernaufstand. Ein Aufstand gegen alle Mächtigen unabhängig von deren Gewaltenausübung. Sehr viele Bauern ließen dabei ihr Leben. Unruhe und Unfrieden beherrschten das Leben der Menschen.
Luther ging es bei seinen Auseinandersetzungen um das Evangelium wie es in der Bibel verkündet wird und nicht um eine Unterordnung unter einen von Rom aus diktierten Glauben.
Unter Karl V. kam es 1530 im Reichstag zu Augsburg zum Augsburger Bekenntnis (Konfessio Augustana). Die evangelischen Kurfürsten machten mit diesem Bekenntnis (das heutige Glaubensbekenntnis) deutlich, dass keine Spaltung der Kirche angestrebt wurde, dass aber dennoch der Wunsch bestand, ihre Auffassung und ihr Verständnis vom Evangelium in Frieden und frei von Todesangst leben zu dürfen. Sie bekamen keine friedliche Zusicherung, sondern ein Ultimatum binnen 6 Monaten zur alten Ordnung zurückzukehren, d.h. Unterordnung unter die Kirche in Rom.
Der Begriff „Protestantismus“ wurde in Speyer geprägt.
Damals hatten sich eine Minderheit von deutschen Fürsten gegen den Mehrheitsbeschluss des
1529 stattgefundenen „Speyerer Reichstages“ erhoben, der die Ausbreitung der lutherischen Lehre verbieten sollte.
Als Folge der sich trotz des „Wormser Edikts“ allmählich durchsetzenden Glaubens – und Religionsfreiheit bildete sich der Grundstein einer protestantischen Glaubenskultur!
Grundsätzlich ging es in dieser Zeit um die Frage und Bedeutung von Freiheit!
Die Fürsten wollten ihre Freiheit zur politischen Gestaltung; Festlegung und Verteidigung der
Territorien.
Luther wünschte die Freiheit jedes Einzelnen vor Gott.
Die Bauern wünschten die Freiheit von Abgaben.
Am 18. Februar 1546 starb Luther in der Lutherstadt/Eisleben.
Die Geschichte einer heimgekehrten Glocke
Hilsbach anno 1755
In dem ehemaligen Amtsstädtchen im Herzen des Kraichgaus lebten zu dieser Zeit eine aus einer geringen Seelenzahl bestehende lutherische Gemeinde mit garantiertem Recht der freien Religionsausübung durch Kurfürst Ludwig VI .
Im Jahre 1705 wurde aber durch Kurfürst Johann Wilhelm das Kirchenvermögen an die Reformierten und Katholiken aufgeteilt und die Lutheraner mussten selbst für eine geeignete Versammlungsmöglichkeit sorgen.
Ein vermutlich betuchter und von der lutherischen Glaubensrichtung angetaner
Hilsbacher Bürger mit Namen Jakob Lang (der mündlichen Überlieferung nach bekannt als „Schneider Lang“) kaufte 1755 ein im hinteren Teil der Mettengasse 6 ein an der Stadtmauer beim Schilderhaus stehendes Gebäude, in dem ein Oratorium (Betsaal) für die Luthergemeinde eingerichtet wurde.
Bild-Mettengasse 6
Gemeindeglied K. Heller schrieb:
Ein Mensch, des Namen Jakob Lang, einst auch des Kurfürst Untertan,
er war von Martin Luthers Thesen, im Innern überzeugt gewesen
und sich für Christenleute interessiert, die neu glaubensorientiert
doch nur zuhause mussten frommen, sie konnten nicht zusammenkommen
zum Bibellesen, Singen, Beten; ein Raum, ein Haus war nun vonnöten.
Da kaufte Jakob seinerzeiten die Mettengasse 6 Hofreiten
wo nun das luthrisch Häuflein klein zum Gottesdienste zog dann ein
und sangen dort vereint im Trott: „Ein feste Burg ist unser Gott –
wär er nicht mit uns diese Zeit, wir wären all verloren“.
So hörte man aus der Hofreit vom Häuflein auserkoren.
Die Gemeinde wuchs dann stetig, ein neues Pfarrgemeindehaus war nötig;
ein Glöcklein noch aus eigner Kraft dazu auch wurde angeschafft.
Zur Einrichtung einer lutherischen Kirche mit Schule kam es dort in der Mettengasse 6 nicht, weil die Kurfürstliche Regierung in Mannheim die Erlaubnis zur Sammlung und Bau einer neuen lutherischen Kirche erteilt hat.
Im weiteren Verlauf wird berichtet, dass Kirche und Pfarrhaus unter einem Dach fertiggestellt seien.
Dieses Gebäude stand mit größter Wahrscheinlichkeit im hinteren Teil des Areals Lampertsgasse 16 am Rande des Stadtgrabens.
Auf diesem befand sich nach der Überlieferung ein Dachreiter mit einer Glocke, deren Guss von der Lutherischen Gemeinde bei dem Glockengießer Frantz Anselm Speck, Heidelberg, 1766/67 in Auftrag gegeben worden war. Diese Glocke muss das in Balsbach gefundene Läuteinstrument sein, das dort zum Gottesdienst gerufen hat.
K.Heller schrieb:
Das Pfarrhaus ist schon lang nicht mehr, doch unlängst kam die Kunde her,
dass unser Glöcklein existiert! Nun wurde fleißig recherchiert.
In Limbach – Balsbach, Odenwald, wurde es gefunden bald
und vor Ort wurd uns dann offenbar, es unsere Glocke ist – wie wahr!
Auf ihrer Schulter stand zu lesen:
„Anselm Frantz Speck goss mich vor die lutrische Gemein Hilsbach 1767“
Unsere Wille soll es sein, dass wir die Glocke holen heim,
an den Ort wo sie rief vor alter Zeit, die Christen zur Gemeinsamkeit.
Nach Fertigstellung des neuen Pfarrhauses in der Weilerer Straße 11 (heute Marktstraße) im Jahre 1907 wurde aus dem alten Pfarrhaus ein Bauernhof.
Über den Verbleib der im Dachreiter vorhandenen Glocke gibt es keine Aufzeichnungen!
Hilsbach anno 2008.
Herr Norbert Jung, Rektor der Helene Lang Realschule in Heilbronn war immer dann, wenn es seine knapp bemessene Freizeit zuließ, auf kommunalen und kirchlichen Türmen, in Klöstern und sonstigen Gebäuden, eben dort anzutreffen, wo eine Glocke zu vermuten war.
Mit unermüdlicher Akribie wurde in Amtsstuben recherchiert und gestöbert.
Auf diese Weise hat Herr Jung die im Jahre 1767 gegossene Glocke der Hilsbacher Lutherischen Gemeinde im Türmchen des alten Schulhauses von Balsbach – dies ist ein Ortsteil von Limbach im Odenwald – entdeckt.
Bild- Schulhaus Balsbach
Eine Inspektionsreise der beiden Herren Jung und Heller im Frühjahr 2008 nach Balsbach brachte aufgrund der Glockeninschrift „Anselm Frantz Speck goss mich vor die lutrische Gemein Hilsbach 1767“ zweifelsfrei die Gewissheit, dass es sich bei dieser Glocke um die Hilsbacher lutherische Glocke handeln muss!
„Diesen Tag werde ich nicht vergessen“, resümierte damals Kurt Heller der auch gleich am Seil zog um der mit Rankenvoluten und Blüten ornamentierte Glocke ihren hellen melodischen Klang zu entlocken.
Bild- Glocke mit Seil
K. Heller trat ganz konkret mit der Bitte, die Glocke in ihre ursprüngliche Heimat zurückführen zu dürfen, an den Ortsvorsteher von Balsbach, Paul Schork, heran und bot als adäquaten Ersatz den Neuguss einer Glocke für die Gemeinde Balsbach.
Nach einstimmigem Beschluss der Ortsgremien von Limbach und Balsbach wurde das glockengeschichtlich wertvolle Original am 14. März 2009 durch Helfer der Hilsbacher freiwilligen Feuerwehr vom Türmchen des alten Balsbacher Schulhauses abgenommen und festlich geschmückt auf Heller`s Anhängerle nach Hilsbach transportiert. Dort wurde sie auf dem Platz der evang. Michaelskirche von einer stattlichen Anzahl Hilsbacher Bürger bei Böllerschüssen, Kaffee und Kuchen empfangen und anschließend vor einer beabsichtigten funktionsfähigen Installation zunächst in der Kirche unter der Kanzel aufgestellt.
Foto, Glocke in der Kirche
Die Gesamtfinanzierung der als Ersatz für die Gemeinde Balsbach angebotene Glocke wurde freundlicherweise vom Gemeindeglied Frau Karin Schlenker, Hilsbach, übernommen.
Infolge unvorhergesehener Schwierigkeiten konnte die Glocke erst im März 2010 von der Gießerei Bachert in Karlsruhe gegossen werden (Ton g“, Type Moll-Oktav). Sie trägt die Inschrift:
Bachert goss mich 2009 für die Gemeinde Balsbach.
Anlass war die Rückführung der Lutherglocke nach Hilsbach.
Kurt Heller schrieb:
Ein Glockenton, geboren bald, will klingen dort im Odenwald,
doch fehlt zu dieser frommen Weise, ihm das erforderlich Gehäuse.
Der Glockengießer konnte nie den Termin wie zugesagt einhalten
und prompt erfand er stets ein Wie, den Kunden hinzuhalten.
Der spricht „die Glock will tönen und so ist dir`s befohlen“!
Er kommt schon bald und will sie holen.
Nun Gießer, nimm richtig einen Husch und mit gewandter Schnelle heiz an den Ofen auf der Stelle, dass die zähe Glockenspeise fließe nach der rechten Weise glücklich in die Form gefüllt und der Erde Hunger stillt, dass das Werk, das du bereitet, Glück und Zufriedenheit bedeutet.
Wir hoffen nun, dass bald, die Glocke tönt im Odenwald. (frei nach Schiller)
Der Einbau der neugegossenen Glocke erfolgte am 18.06.2010 in den Platz ihrer Vorgängerin im Türmchen des Balsbacher Schulhauses.
Für unsere Lutherglocke wurde vom ortsansässigen Altmeister des Zimmereihandwerks, Herr Friedrich Riddinger (81Jahre) und Gemeindeglied Kurt Heller, ein präzise abgezimmerter Dachreiter hergestellt.
Bild- Herr Riddinger, Herr Heller
Am 21.08.2010 wurde dieser mit einmontierter Glocke mittels eines Hebekranes auf das Dach des evangelischen Gemeindehauses (ehemaliges Rathaus von Hilsbach) gehievt und an den noch sehr gut erhaltenen Stützen eines bis 1957 vorhandenen Türmchens befestigt
Bild- Türmchen mit Leiter
Damit erhielt unsere heimgekehrte Lutherglocke einen ihr gebührenden angemessenen Läuteplatz.
Von dort verrichtet sie ihren Läutedienst seit dem 21. August 2010 zu besonderen Anlässen, insbesondere am Reformationstag, dem 31.Oktober, wie auch damals in den Jahren nach 1767.
Halleluja!